Seitdem es keine Wehrpflicht bzw. keinen Zivildienst ersatzweise dazu gibt, haben die Bundeswehr und verschiedene, soziale Einrichtungen massive Personalprobleme.
Zwar entstanden danach der Bundesfreiwilligendienst und die Bundeswehr bietet weiterhin einen freiwilligen Grundwehrdienst an, aber die Personalengpässe sind immer noch nicht behoben.
Für mich fehlt es in der Bevölkerung auch an einem bestimmten Problembewusstsein und gemeinsamer sozialer Verantwortung, die ein Gesellschaftsjahr allen nach ihrer schulischen Ausbildung ins Gedächtnis bringen könnte. Ein freiwilliges soziales Jahr wäre eine Lösung!
Das Projekt Gesellschaftsjahr
Nach meinem Geschmack lässt der gesellschaftliche Zusammenhalt heutzutage noch sehr zu wünschen übrig. Jeder für sich - oder noch schlimmer: jeden gegen jeden - ist heute leider meist das Lebensmotto der Mehrheit. Leider hängt das aber auch damit zusammen, dass immer mehr Menschen in präkeren Lebensverhältnissen leben und sich deshalb nur um sich kümmen können. Dabei sitzen wir alle im selben Gesellschaftsboot.
Irgendwann im Leben brauchen wir alle mal Hilfe. Und dann sollte diese Hilfe auch verfügbar sein. Der Staat spart immer mehr. Die Lebenshaltungskosten steigen kontinierlich. Die Menschen können sich in Notsituationen meist nicht mehr selbst helfen, weil das Gesellschaftsbewusstsein aber auch das nötige Wissen, die Erfahrungen und die Fähigkeiten immer häufiger fehlen, um sich untereinander helfen zu können. Ich rede hier nicht von finanzieller HIlfe für andere.
Um der gesamten Gesellschaft dieses Bewusstwein, die Fähigkeiten und das Wissen (wieder) zu vermitteln, wäre ein Gesellschaftsjahr, das möglichst jeder Schulabgänger vor dem Einstieg ins Berufsleben absolviert, ein interessantes Konzept, dass aber auch von der Gesellschaft getragen werden muss und nicht von oben verordnet wird. Also lieber ein Soll als ein Muss.
Menschen und Generationen sind wieder für einander da und unterstützen sich, wo es nötig ist. Das ist meine Vision. Ein freiwilliges soziales Jahr https://www.ein-jahr-freiwillig.de/programme/fsj-freiwilliges-soziales-jahr FSJ, ich nenne es hier Gesellschaftsjahr, müsste in ein neues Licht gerückt werden und weitgehend gesellschaftlicher Konsens werden.
Aus der Politik gab es schon Denkansätze, anstatt der Wiederbelebung der allgemeinen Wehrpflicht einen allgemeine Dienstpflicht für alle in verschiedenen Bereichen auf den Weg zu bringen. Aber eben als Dienstpflicht.
Das Freiwillige Soziale Jahr existiert schon!
Der Bundesfreiwilligendienst wurde 2011 gegründet. Er ist die Antwort auf die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und des Wehrersatzdienstes aka Zivildienstes.
Der BFD hat sich auf die Fahne geschrieben, die durch die weggefallenen Zivildienstleistenden entstandenen Engpässe so gut wie möglich auszugleichen und auch in weiteren gesellschaftlichen Bereichen soziale Arbeiten zu verrichten. Leider gäbe es hier noch Bedarf, dies weiter auszubauen, damit noch viele offene Engpässe in unserer Gesellschaft geschlossen werden können. Wie der Name schon sagt: dieser Dienst ist freiwillig und knüpft an das Konzept des freiwilligen sozialen Jahres an.
Mögliche Einsatzgebiete für ein Freiwilliges Soziales jahr
Hier ein paar Vorschläge:
- Altersheim
- Hospiz
- Jugendzentrum, Sozialarbeit oder Streetworker
- Gartenbauamt oder andere städtische Stelle
- für Umwelt- und Klimaschutzprojekte bei verschiedenen gemeinnützigen NGOs wie zum Beispiel RhineCleanUp
Mit dem Bundesfreiwilligendienst BFD ist eine Grundlage geschaffen worden, die ausgebaut werden könnte. Allerdings müsste ein Gesellschaftsjahr auch vom Staat regelmäßig aktiv beworben werden und die vielen Vorteile klar herausstellen, die ein Gesellschaftsjahr für die Freiwillligen mit sich brächte.
Die Klassiker
Natürlich dürfen wir bei einem Gesellschaftsjahr die Klassiker nicht vergessen:
- den Wehrdienst bei der Bundeswehr und
- der Dienst in Krankenhäusern und Altersheimen
Sie dürfen als Möglichkeiten für ein Gesellschaftsjahr nicht fehlen! Schon deshalb, weil hier deutlicher Personalmangel herrscht.
Freiwilliger Wehrdienst bei der Bundeswehr
Das folgende Video stellt den Freiwilligen Grundwehrdienst FWDL, dem Dienst eines Zeitsoldaten SAZ gegenüber und erklärt Ablauf sowie die wichtigsten Vorteile und Nachteile:
Als besonderen Vorteil einer Verpflichtung bei der Bundeswehr sehe ich, dass man dort Berufsausbildungen und Studiengänge in sehr übersichtlicher Zeit mit hohem Praxisbezug absolvieren kann und diese Abschlüsse im zivilen Leben ein hohes Ansehen genießen. Du musst aber mit dem Setting Militär klar kommen. Sonst wirst Du dort nicht glücklich werden.
Sollte die Wehrpflicht zurückkommen?
Nach der Abschaffung der Wehrpflicht haben sich konservative Politiker immer wieder zu Wort gemeldet, dass man die Wehrpflicht wieder in Kraft setzen sollte.
Für mich gibt es hier mehr Wider als Für. In den letzten Jahren, wo die Bundeswehr zu einer hauptsächlichen Berufsarmee umstrukturiert wurde, wo auch Freiwillige und Zeitsoldaten dienen, hat sich einiges geändert und gezeigt:
Zu Zeiten der Wehrpflicht gab es eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, weil nur die Männer zum Dienst an der Waffe herangezogen wurden. Frauen nicht. Nun hat sich gezeigt, dass auch Frauen sich hervorragend in der Bundeswehr bewährt haben und bis in die höchsten Dienstgrade aufgestiegen sind. Sollte es jetzt die Wehrpflicht für wirklich alle geben, wenn der Staat sich entschließen täte, die Wehrpflicht wieder einzuführen? Nein!
Während der Wehrpflicht, wo grundsätzlich alle Männer dienen mussten, kam oft klar und deutlich zu Vorschein: nicht jeder Mann ist für den Beruf des Soldaten geeignet. Das ist auch ganz logisch. Natürlich erkannten die Vorgesetzten auch schnell Talente, denen ein Zeitvertrag und später ein Berufssoldatenverhältnis angeboten wurde.
Freiwilligendienst im Krankenhaus
Der zweite Klassiker ist der Dienst in einem Krankenhaus. Hier wird der Tagesablauf einer Absolventin dokumentiert, damit Du siehst, was alles auf Dich zukommen wird.
Auf den Klassiker Altenpflege möchte ich hier nochmal gesondert eingehen, weil es so wichtig ist: Es wird schon viele Jahre gewarnt, dass wir in 20 bis spätestens 30 Jahren einen sehr hohen Anteil an alten Menschen haben werden, die dann auch eines Tages pflegebedürftig sein werden. Schon heute haben wir viel zu wenig Altenpfleger.
Wer sein Gesellschaftsjahr in der Altenpflege verbringt, lernt wichtige Dinge, wie Du später Deine eigenen Verwandten zu Hause zumindest grundlegend betreuen kannst, wenn es ihnen im Alter nicht mehr so gut geht. Damit könnten alte Familienmitglieder länger im Familienkreis bleiben oder Verwandte einem häuslichen kompetent zuarbeiten, falls Plätze im Pflegeheim nicht verfügbar sind. Ich fürchte, dass diese Situation in Zukunft immer wahrscheinlicher werden wird. Darauf sollten unsere Kinder gut vorbereitet werden.
Wer sich im BFD besonders engagiert...
Bei der Durchsicht der Stellenangebote des Bundesfreiwilligendienstes ist mir eine Organisation als besonders aktiv bundesweit aufgefallen: die Ronald McDonald Oase, die sich um bedürftige Kinder kümmert.
Man mag zu der Fastfoodkette McDonald's stehen wie man will. Hier machen sie PR für einen wirklich guten Zweck. Meine Kinder täte ich trotzdem nicht zu McDonald's zu Essen schicken.
Pro & Kontra Gesellschaftsjahr
In vielen alten Kulturen hatten besonders die Männer auf ihrer Schwelle zum Erwachsenwerden verschiedene Rituale, die sie vor bisher unbekannte Aufgaben stellte, an denen sie charakterlich wachsen sollten. Bestanden die Anwärter diese Aufgabe, wurden sie in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen und galten fortan als ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft.
So ähnlich sehe ich das auch mit dem Gesellschftsjahr, dass direkt nach der offiziellen Schulausbildung anschließen sollte. Die Heranwachsenden sollen vor neue Herausforderungen gestellt werden, die dem Gemeinwohl nützen und die zwischenmenschlichen Fähigkeiten sowie den Charakter stärken. Es sollten Fähigkeiten und Wissen sein, die diese Menschen in Zukunft gut gebrauchen können und sie Demut vor bestimmten Berufen lehrt. Gleichzeitig ist es eine erste Bewährungsprobe in der Arbeitswelt, die eventuell die zukünftige Berufswahl mitentscheiden kann. Nebenbei verdienen die jungen Menschen ihr erstes, eigenes Geld; auch wenn es eher einem Taschengeld entspricht.
Das wohl allerbeste Beispiel ist das Arbeiten in einem Altersheim. Hier lernen junge Menschen Empathie, beobachten die Situation, wie es am Ende eines Lebens sein kann, wo wir alle mal hinkommen werden. Möglicheweise gibt es erste Berührung mit dem Tod eines Menschen oder das entstehen einer Freundschaft eines jungen Menschen, dessen Leben gerade erst richtig beginnt mit einem Menschen, der am Ende seines Lebensweges angekommen ist und dem jungen Menschen an der Weisheit seiner Lebenserfahrung teilhaben lässt. All dies prägt einen jungen Menschen für sein Leben, stärkt den Respekt vor den Älteren und vermittelt Grundwissen, was zu tun ist, wenn die eigenen Eltern eines Tages an den Rand der Pflegebedürftigkeit kommen werden.
Das Gesellschaftsjahr soll vor allem eine Schule des Lebens für junge Menschen sein.
PRO
- Erster Kontakt mit der Arbeitswelt
- Erweiterung der sozialen Kompetenz und anderer wichtigen Soft Skills
- Kennenlernen von Berufsbildern in Aktion
- Lebenserfahrung sammeln
- Verantwortungsbewusstsein entwickeln
- erstes Geld verdienen
- erste, selbstständige Schritte im Leben
KONTRA
- Wenn Du schon genau weißt, was Du willst und es keinen passenden Dienst im Gesellschaftsjahr dazu gibt, macht es Sinn, dass Du möglichst schnell Deine Ausbildung machst und ans Arbeiten in Deinem Traumjob kommst, denn am Arbeitsmarkt setzen sich nicht nur die Menschen durch, die am besten ausgebildet, am erfahresten sind und das beste Vitamin B haben, sondern die, die davon noch am jüngsten sind. Das gilt besonders für internationale Karrieren.
Flexible Strukturen im Gesellschaftsjahr
Das Gesellschaftsjahr soll jungen Menschen grundsätzlich die Gelegenheit vermitteln, einen sinnvollen Dienst für die Gemeinschaft abzuleisten, der die verschiedensten Formen annehmen kann.
Es sollte sich in erster Linie um einfache Hilfsarbeiten handeln, die die Fachkräfte sinnvoll entlasten, damit diese sich voll auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Wie damals im Zivildienst dürfen Zivildienstleistende nicht zu Lückenbüßern werden, die als Angelernte beispielsweise den vollen Job eines Krankenpflegers zum Bruchteil deren Bezahlung erledigen und die Personalkosten des Arbeitgebers entlasten, der dann weniger Fachkräfte einstellt.
Auf der anderen Seite sollen junge Menschen, denen die Arbeit offensichtlich liegt, auch etwas mehr tun dürfen, wenn die Leistung stimmt. Dann sollte man aber auch darüber nachdenken, das Gesellschaftsjahr für eine Lehre mit anzurechnen und direkt einen Ausbildungsvertrag in einem entsprechenden Berufsbild folgen lassen.
Ich könnte mir auch gut eine Struktur wie in der Bundeswehr mit freiwilligem Grunddienst, Zeitverträgen (mit einem vollwertigen Gehalt) und die Übernahme in ein unbereístetes Berufsverhältnis gut vorstellen. Über die Möglichkeit von freiwilligen Reserveübungen im zivilen Bereich sollte auch nachgedacht werden.
Im Gegenzug hat sich die Bundeswehr in einigen Aspekten eher wie ein ziviler Arbeitgeber entwickelt, um bestimmte Schwellenängste abzubauen und sich gleichzeitig als Armee weiter professionalisiert.
Arbeitslosigkeit & Co. vs Gesellschaftsdienst
Ich hielte es für eine sehr interessante Idee, wenn Menschen im Falle ihrer Arbeitslosigkeit auch die Möglichkeit bekämen, für eine bestimmte Zeit wieder in ihren freiwilligen Dienst einzusteigen. Ich weiß, das wird jetzt bei einigen Menschen, die diesen Artikel lesen, Einspruch auslösen...von wegen Zwangsarbeitsdienst oder kein Geld. Nein!
Hier bräuchten wir neue Ansätze seitens der Jobcenter, dass man im Falle des Gesellschaftsdienstes eben den Zuverdienst nicht abgeben muss, sofern man bei Gesellschaftsdienst nur geringfügig verdient. Wie gesagt, täte es am meisten Sinn machen, dem arbeitslosen Menschen einen kurzfristigen Zeitvertrag mit einem tragfähigen Gehalt anzubieten, der die Möglichkeit bietet, von der staatlichen Unterstützung wegzukommen und Zeit zu verschaffen, in Ruhe einen neuen Job im ursprünglichen Beruf suchen zu können bzw. alternativ als Profi im Betrieb einzusteigen, wo der Gesellschaftsdienst geleistet wird.
Das Gesellschaftsjahr
Für andere da sein, damit auch jemand da ist, wenn Du einmal Hilfe brauchst.
Verantwortung übernehmen - Deinen Mitmenschen dienen
Pflicht oder freiwilliges Gesellschaftsjahr?
Ich bin definitiv kein Freund von Zwangsmaßnahmen, sondern appelliere lieber mit guten Argumenten für einen freiwilligen Dienst und stelle dabei die Vorteile heraus. Mit einer guten Werbung und und den richtigen Argumenten glaube ich, dass wir ein Gesellschaftsjahr auf freiwilliger Basis populär machen und weit verbreiten können.
Auch einen Pflichtbonus, dass jeder Personaler unter gleichqualifizierten Menschen, den bevorzugen muss, der ein Gesellschaftsjahr absolviert hat, halte ich nicht für optimal. Es sollte ein Vorteil von vielen sein. Kritiker sprächen sonst von einem indirekten Social Credit System. In meinen Augen gilt es, das zu verhindern.
Wenn man an die Wehrpflichzeit zurückdenkt, hat man Männer mit abgeleisteten Wehrdienst aus 2 Gründen bevorzugt:
- Man musste sie nach der Berufsausbildung nicht für 12 bis 15 Monate im Betrieb entbehren und
- Sie waren schon sicher auf das Prinzip Befehl & Gehorsam konditioniert, woraus insbesondere konservative Arbeitgeber Wert legten.
Punkt 1 fiele heutzutage weg. Punkt 2 sehe ich heute nicht mehr als zeitgemäß an.
Heutzutage wäre ein abgeleistetes Gesellschaftsjahr für Personaler ein gutes Zeichen, dass der Bewerber mit hoher Wahrscheinlichkeit Sozialkompetenz und Soft Skills mit in den Betrieb einbringen kann, die viele Chefs bei den heutigen Bewerbern vermissen.
Ich wünsche mir, dass sich ein freiwilliges Gesellschaftsjahr durchsetzt.
Ich freue mich auf Eure Kommentare und eine lebhafte Diskussion.
P.S.: Für INFJ-Persönlichkeiten ist die Idee eines Gesellschaftsjahres sicherlich sehr reizvoll.
Euer systemischer Coach
Oliver Triebel
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