Wenn wir uns den Tagesablauf vieler Kinder heute anschauen, ist dieser oft minutiös durchgeplant wie bei einem Top Manager. Viele Kinder können heute gar nicht mehr Kinder sein. Sie leben das Leben eines Erwachsenen, mit vielen Terminen und Pflichten, die ihnen von ihren Eltern aufgebürdet werden. Natürlich nur zum Besten der Kinder, damit sie möglichst früh ihre Talente nutzen lernen und später Vorteile im Leben haben. In der Schule geht der Stress dann erst richtig los!
Die aktuelle, sehr schöne Titelstory des SPIEGEL Nr. 35 vom 27. August 2016 beschreibt sehr gut, dass es besser ist, Kindern ihre Kindheit zu lassen. Eltern bekommen Anregungen, wie sie ihre Kinder wirklich gut in ihrer Entwicklung fördern können.
Ich habe zu der SPIEGEL-Titelstory "Lasst die Kinder frei!" ebenfalls meine Gedanken für Dich niedergeschrieben.
Leinen los!
Viele Eltern leben heute mit einer mehr oder weniger berechtigten Angst, dass ihr Kind sich im zukünftigen KOnkurrenzkampf im Leben nicht genügend durchsetzen kann. Außerdem wissen sie, dass unser Schulsystem nicht perfekt ist und fördern die Begabungen ihrer Kinder selbst und möglichst früh. Im Extremfall heißt das, dass ein Kind schon im Vorschulalter von den Eltern dazu verdonnert wird, ein Musikinstrument oder eine Sportart oder am besten gleich beides zu lernen. Der Einstieg in eine erste Fremdsprache halten einige Eltern ebenfalls für angemessen. Kommt das Kind erst in die Schule, wird darauf geachtet, dass das Kind immer zu den Besten seiner Klasse gehört. Ansonsten werden umgehend Nachhilfestunden für den Nachmittag anberaumt.
Kindern wird heute immer weniger Zeit zugestanden, um noch unbekümmert Kind sein zu können. Die heutige Technisierung trägt dazu ebenfalls maßgeblich bei. Für viele Kinder ist der Besitz eines Mobiltelefons eine Selbstverständlichkeit. Es ist Kommunikationsgerät, Spielzeug und Statussymbol in einem. Das Spielen mit Gleichaltrigen und das Erkunden der Natur haben nicht mehr den Stellenwert wie zu meiner Kindheit in den Siebzigerjahren, die fast technikfrei ablief - Gott sei dank! Dass sich das alles negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes auswirkt, dürfte jedem einleuchten. Liebe Eltern: Gebt Euren Kindern ihren nötigen, geschützten Raum, um Kind sein zu können. Das entwickelt deren wichtige Fähigkeiten zunächst genug. Die Pflichten kommen früh genug!
Wie lernen Kinder am besten?
Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Kinder brauchen Regeln und Führung von Erwachsenen, um sich gesund zu entwickeln. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Eltern ist neben Liebe einer der wichtigen Säulen einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung. Unnötiger Zwang ist kontraproduktiv. Den Kindern darf nicht ihre natürliche Neugierde, ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Phantasie, ihre soziale Offenheit und ihr Wissensdurst genommen werden! Das sind sehr wichtige Fähigkeiten, um sich später im Leben erfolgreich und sozial kompetent bewegen zu können.
Ein ganz wichtiger Weg des Lernens ist das 'stille Lernen' durch beobachten der Eltern. So bilden sich beim Kind viele Verhaltensmuster, auch wenn die Eltern mit Worten etwas anderes sagen!
Es gab mal einen Versuch mit Kleinkindern. Zwei Kinder hatten je einen Teller. Ein Teller war leer. Der andere Teller war voll mit Essen. Das Kind mit dem vollen Teller bemerkte, dass das andere Kind nichts auf seinem Teller hatte. Spontan bot es dem anderen Kind etwas von seinem Essen an. Der selbe Versuch wurde mit Kindern im Grundschulalter wiederholt. Hier dachte das Kind mit dem vollen Teller nicht im geringsten daran, dem anderen Kind etwas abzugeben. Als das andere Kind sich näherte, verteidigte das Kind mit dem vollen Teller sogar sein Essen! Die Frage, was in der Zeit zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr bei diesen Kindern falsch gelaufen ist, halte ich für berechtigt.
Einer meiner Lieblinge in Sachen Erziehung und Menschenführung ist Prof. Dr. Gerald Hüther. In seinem folgenden Video erläutert er Dir seine Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen:
Die wichtigsten Fächer für den persönlichen Erfolg sind Sport, Kunst und Musik. Am wichtigsten ist es aber, dass Lernen ein Erlebnis auf vielen Sinnesebenen darstellen muss, dass Begeisterung bei den Schülern auslöst. Kann der Lehrer seine Schüler nicht für seinen Lernstoff begeistern und ihn verständlich für das jeweilige Alter seiner Schüler erklären, werden seine Schüler und der Lehrer es unnötig schwer haben.
Lehrer haben mir bestätigt, dass sie gerne auch zusätzlichen Stoff im Unterricht vermitteln möchten, den sie für wichtig halten, aber nicht im Lehrplan steht. Doch die Menge des obligatorisch zu vermittelnden Stoffes ist zu hoch. Leider ist es heute zum Normalfall geworden, dass Schulkinder regelmäßig Medikamente zur Leistungssteigerung nehmen - oftmals sogar ganz gezielt von Ärzten verschrieben. Schüler, die bereits als Teenager erste Anzeichen eines Burnout aufzeigen, sind ebenfalls keine Seltenheit mehr.
Die Schule soll beim Schüler eine breite Wissensgrundlage für viele Themen anlegen. In fortgeschrittenen Klassen (GK / LK) und Schulen (z. B. Wirtschaftsgymnasium) kann der Schüler sich dann spezialisieren. Der Schüler erhält so grundsätzlich eine Gelegenheit, ein breites Allgemeinwissen anzulegen. Allerdings liegt es aber auch in der Natur der Sache, dass der Schüler, wenn er zu vielen Themen gar kein weiteres Interesse entwickelt, dieses Wissen im Unterbewusstsein verschwinden und nicht mehr sofort abrufbar sein wird. Ein Großteil des vermittelten Schulwissens wird später im Berufsalltag gar nicht mehr gebraucht. Viele Dinge, die den Schüler besser auf das Berufsleben vorbereiten würden, wie Rhetorik, Psychologie, Kulturlehre anderer Völker, Ernährungslehre und weiteres Gesundheitswissen, werden gar nicht oder nur wenig angesprochen. Alle Schüler müssten spätestens in diesem Alter ihre Kompetenzen und Talente kennen. Dazu gibt es sehr gute Seminare, die hier mehr Klarheit bringen. Hier herrscht nach meiner Meinung Nachholbedarf!
Die Berufspraktika (meist) in der 8. Klasse sind zwar gut, aber das darf auch mehr werden - zum Beispiel auch in der 9. und der 10. Klasse. Abiturienten brauchen ebenfalls vor den Abiprüfungen Berufspraktika sowie eine gute Einführung in ihre Studienmöglichkeiten, weil viele Abiturienten noch gar nicht wissen, was sie studieren wollen oder einfach irgendwas studieren.
Noten sind nicht alles!
Schon früher war es so, dass es gewisse Eltern gab, denen selbst eine 2 nicht gut genug war, die ihr Kind nach Hause brachte. Solche Eltern saßen dann in der Regel im Elternbeirat, um besser Einfluss auf die Lehrer ausüben zu können. Heute wird mit noch viel schärferer Munition geschossen: Schnell wird mit dem Anwalt gedroht oder es wird gar persönlich gegen den Lehrer: "Ich werde dafür sorgen, dass Sie nie wieder an einer Schule unterrichten dürfen!" Dabei hatte der Sprössling nur eine 3 erhalten.
Die Angst der Eltern ist oft hoch, dass ihre Kinder keine Lehrstelle oder keinen Studienplatz erhalten. Daher arbeiten sie oft mit Druck. Entweder gegen ihre Kinder, gegen die Lehrer oder gegen alle beide. Die Familien, die mit HARTZ IV leben, haben oft schon die Hoffnung für sich und ihre Kinder aufgegeben. Wenn man die Statistiken liest, macht das auch keinen Grund zur Hoffnung. Seit vielen Jahren wird die Qualität der Schulabgänger angeblich immer schlechter und Firmen stellen fast nur noch Abiturienten für Lehrberufe ein, weil der Rest nicht den Erwartungen entspricht.
Zwar hat sich vom gängigen Frontalunterricht aus meinen Schultagen bis heute wohl schon einiges geändert, aber ein wirklicher Erlebnisunterricht, der den zu vermittelnden Stoff in seiner praktischen Anwendbarkeit von den Schülern erarbeiten lässt, ist selten. So würde Lernstoff auch viel besser hängen bleiben.
Zumindest bis zur Realschule verläuft Unterricht immer noch nach dem alten Prinzip: Lernstoff wird eingetrichtert, mehr oder minder gut verdaut und dann erbrochen (Test, Klausur). Selten baut der Lernstoff auf einander auf, so dass man das schon zuvor Erlernte immer wieder trainiert, aber viele Lehrer erwarten naiv die Abrufbereitschaft des Lernstoffes; auch wenn der Schüler sich nach Vermittlung dieses Stoffes nie mehr mit diesem Stoff auseinander setzen musste.
Prof. Dr. Gerald Hüther hat auch hier etwas zur Qualität unseres Schulsystems in seinem Video zu sagen:
Vom ursprünglichen Dilemma der Personalchefs gegenüber Schulabgängern, dass das Schulzeugnis nur das Einzigste sein, was eine Leistungsbeurteilung bietet, kommen Gott sei dank immer mehr Firmen ab. Die Personalchefs versuchen jetzt auch, zwischen den Zeilen zu lesen. Setzen eher auf den persönlichen Eindruck oder das gezeigte Verhalten in einem Praktikum vor Ort.
Wenn die ersten Arbeitszeugnisse auf dem Tisch liegen, zählen diese mehr als Schulzeugnisse. Bei Schulzeugnissen und bei Arbeitszeugnissen wird trotz aller Bemühungen doch eher subjektiv als objektiv bewertet. Wenn Du mit Deinem Chef nicht klar gekommen bist, kann das schnell zu einem Karriereknick führen - auch wenn Du fachlich gut bist. Die Wissensvermittlung im Betrieb oder auf Fortbildungsseminaren untersteht ebenfalls den obigen Prinzipien der erfolgreichen Wissensvermittlung. Es bleibt also immer spannend in Deinem Leben und bei der Wahl der richtigen Anbieter zur Weiterbildung und Deiner Arbeitgeber.
Wertvolle Tipps für Eltern zur Kindererziehung
Mein zweiter Favorit in Sachen Persönlichkeitsentwicklung ist Vera F. Birkenbihl. Mit ihrer humorvollen Art wusste sie ihre Zuhörer in ihren Bann zu ziehen und wissenschaftliche Erkenntnisse einfach und verständlich zu vermitteln. In ihrem folgenden Video gibt sie Eltern eine gute Anleitung, wie Ihr Euren Kindern altersgerecht Dinge besser vermitteln könnt. Viel Spaß beim Zuschauen und Zuhören:
Die Umsetzung dieser Vorschläge ist nicht immer leicht, aber lohnenswert. Gerne darf ein Coach bei der Umsetzung zur Hilfe genommen werden, um systematisch alle wichtigen Punkte umzusetzen. Nicht nur Schüler brauchen manchmal Nachhilfe. Es ist keine Schande für Eltern, sich professionelle Hilfe ins Haus zu holen. Von Eltern kann nicht die Kompetenz und das Wissen eines Spezialisten erwartet werden!
Alternative Schulformen in Deutschland
Viele Eltern sind unzufrieden mit dem deutschen Schulsystem - genauer gesagt mit den staatlichen Schulen. Gründe können im Lehrstoff liegen, an der Lehrqualität, Klassengröße, dem Ruf der Schule oder auch der Erziehungsphilosophie.
In Deutschland gibt es verschiedene Alternativen, wenn Du nicht willst, dass Dein Kind auf eine 'normale' Schule geht. Allein schon bei den Normschulen Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, der Mischform Gesamtschule oder der Sonderform der Förderschule achten Eltern heute viel mehr als früher auf den Ruf der Schule, die ihr Kind besuchen soll, weil dieser über die weiteren Möglichkeiten zum Besuch weiterführender Schulen oder gar den Berufsweg ihres Kindes entscheidend sein kann. Eine praktische Variante für beruftätige Eltern ist die offene Ganztagsschule, die sich heute immer mehr durchsetzt.
Das Homeschooling ist international gut verbreitet, aber in Deutschland verboten. Praktiziert wird es teilweise aber trotzdem in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft dagegen konsequent rechtlich vorgegangen werden wird oder ob im Zuge der Globalisierung es toleriert und später auch legalisiert werden wird. Grundsätzlich unterrichten beim Homeschooling die Eltern ihre Kinder selbst. Bei fehlender Kompetenz kann das auch ein Privatlehrer übernehmen.
Im folgenden Video siehst Du ein Beispiel aus der Praxis:
Der Favorit gut verdienender Eltern ist und bleibt die renommierte Privatschule im In- oder besser noch Ausland. Diese Privatschulen haben einen hervorragenden Ruf und ein erstklassiges Niveau. Sie sind das Sprungbrett für einen Studienplatz an einer internationalen Eliteuniversität und einer oft steilen Berufskarriere. ZDF neo begleitete den Alltag eines deutschen Schülers in einem englischen Eliteinternat:
Die tatsächlich alternativen Schularten sind die Waldorfschule, die Freie Alternativschule und die Montessorischule, die komplett andere Unterrichtsphilosophien verfolgen als jede Normschule. Die Waldorfschule hat einen grundsätzlich anthroposophischen Ansatz, einen künstlerischen Schwerpunkt und alternativen Sichtweisen zu unserer gängigen Lehrmeinung zu Geschichte, Wissenschaft und Kultur, wie Du in folgenden Doku sehen wirst:
Die Kritiken über die Waldorfschule in dieser Doku sind durchwachsen. Insbesondere esoterische Philosophien werden stark attackiert. Ich persönlich habe schon den einen oder anderen Ex-Waldorfschüler als Erwachsenen kennen gelernt und hatte bisher keinerlei Probleme mit ihnen. Aber höre hier selbst, wie Waldorfschüler ihre eigene Schule sehen.
Nach der Philosophie der Montessorischule ist das Kind der Baumeister seines Selbst. Charakteristisch ist die Form des offenen Unterrichts und der Freiarbeit. Das heißt, die Schüler erarbeiten sich mit dem Lehrer den Lernstoff ihrer zuvor gewählten Themen spielerisch selbst. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt die folgende Doku des Montessori Bildungshauses Hannover:
Die Freien Alternativschulen verfolgen das Prinzip der Reformpädagogik und einer antiautoritären Erziehung ohne Zwänge und ohne Druck. Die Philosophie ist: Freiwillig und eigenverantwortlich lernt es sich am besten! Wie das in der Praxis aussieht, siehst Du in der folgenden Doku:
Die Alternative mit den Freien Alternativschulen gefällt mir von diesen Alternativen persönlich am besten!
Du siehst also, dass es durchaus mehrere alternative Möglichkeiten gibt, wenn Du Dein Kind nicht auf eine staatliche Schule schicken willst. Diese alternativen Schulen haben sicherlich mehrere positive Aspekte des besseren Lernens schon umgesetzt. Andere Aspekte müssen meiner Meinung nach noch weiterentwickelt werden. Leider kosten diese Alternativen meist viel Geld, was sie nicht für jeden erschwinglich macht.
Abschließend habe ich noch ein paar Buchempfehlungen für Dich:
Wenn Dir mein Beitrag gefallen hat, dann kommentiere und teile ihn mit Deinen Freunden und Kollegen. Danke.
Kommentar schreiben