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Anforderungen an ein realistisches Selbstverteidigungssystem

Ein versuchter Straßenraub wird vereitelt
Ein versuchter Straßenraub wird vereitelt

Jeder von uns war schon einmal in der Situation, von Mitmenschen psychisch und physisch bedroht oder angegriffen zu werden bzw. hat erlebt, wie dies einem Mitmenschen widerfahren ist.

 

  • Wie haben Sie sich oder Ihrem Mitmenschen in diese Situation geholfen?
  • Und wie erfolgreich waren Sie dabei?
  • Warum waren Sie in einer solchen Situation erfolgreich...oder auch nicht?
  • Oder haben Sie einfach gar nichts getan und gehofft, dass alles schnell vorbei ist?
  • Was hätten Sie gerne getan oder besser gemacht bzw. nicht gemacht?
  • Welche Gefühle hatten Sie in dieser Situation?

 

Bei vielen Menschen war solch ein Ereignis der Auslöser, ein Selbstverteidigungssystem zu erlernen oder Kampfsport zu betreiben. Nur wie nah an der Realität ist das System, wofür sich der Einzelne entschieden hat? Welche Kriterien muss ein Selbstverteidigungssystem erfüllen, um wirklich praxistauglich zu sein?

 

Wenn Sie ein Selbstverteidigungssystem erlernen möchte, werden Sie fast zwangsläufig auf das riesige Portfolio der asiatischen Kampfkünste / Kampfsportarten / Selbstverteidigungssysteme aufmerksam (gemacht), die oft noch ein mysteriöser Nimbus umgibt. Die Entscheidung für ein bestimmte Disziplin fällt meist zufällig über eine Werbung, die Ihnen ins Haus flattert, einen Freund, der schon in einem Verein oder einer Schule trainiert oder Sie suchen sich selbst eine Schule oder einen VHS-Kurs über einem Begriff, der für Sie für Selbstverteidigung steht. Die wenigsten Leute suchen und sammeln gezielt Informationen über verschiedene Kampfsysteme und googlen die Meinungen zu deren Praxistauglichkeit, obwohl das heute kein Problem mehr wäre. So findet sich dann auch ein interessanter Lehrer bzw. eine interessante Lehrerin mit seiner / ihrer Schule.

 

Ferner sollten Sie genau unterscheiden, ob Sie ein Selbstverteidigungssystem oder einen Kampfsport (der vielleicht früher mal ein Selbstverteidigungssystem war) erlernen wollen. Im Kampfsport geht es um Regeln, Fairness und sehr kontrollierte Auseinandersetzung mit den erlernten Techniken. Dies steht im krassen Gegensatz zu einer echten Selbstverteidigungssituation, die relativ harmlos bis lebensbedrohlich sein kann – ohne jegliche Vorwarnung oder Einschränkungen!

 

Was muss ein praxistaugliches Selbstverteidigungssystem konkret mitbringen?

Setzen Sie konsequent alles ein, was Sie schützt!
Setzen Sie konsequent alles ein, was Sie schützt!

 

  1. Schnelle Erlernbarkeit

Viele, hauptsächlich asiatische, Kampfkünste, benötigen viele Jahre des Trainings bis zur Beherrschung all ihrer Facetten. Je traditioneller die Disziplin geprägt ist, desto mehr formelle Übungen und starre Lernprogramme müssen Sie häufig durchlaufen, bis Sie für alle Situationen gewappnet sind. Im Extremfall wird aus Traditionsehrfurcht das bis zu mehrere Jahrhunderte alte Unterrichtsprogramm nicht an die heutigen Gegebenheiten des Straßenkampfes angepasst.

 

Ab wann wollten Sie selbstverteidigungsfähig sein?

 

 

 

 

 

 

 

2. Universelle Einsetzbarkeit und möglichst wenige, einfache Techniken

 

In vielen Kampfsystemen gibt es eine große Anzahl an Techniken und verschiedenen  

Bewegungen, die beherrscht werden sollen. In vielen Systemen nahm die Anzahl an Techniken mit den Jahren der Weiterentwicklung des Systems zu. Bei ein paar wenigen Systemen nahm die Anzahl der zu lernenden Techniken ab.

 

Auf einem Einführungsabend zu einem Selbstverteidigungskurs A wurden den Interessenten 6 verschiedene Angriffe und dazu 6 verschiedene Verteidigungen vorgestellt.

 

Auf einem anderen Einführungsabend zu Selbstverteidigungskurs B wurden den Interessenten ebenfalls gegen 6 verschiedene Angriffe nur 2 Techniken und 2 Grundverhaltensprinzipien gezeigt.

 

Mit welchem Kurs glauben Sie, schneller verteidigungsfähiger zu werden?

Mit Kurs A oder B?

 

Sind die gezeigten Techniken von stark, schwach, Mann, Frau und Kind gleich schnell zu erlernen oder bedarf es gar artistischer Geschicklichkeit? Sind Frauen oder schwächere Zeitgenossen für den Lehrer und die Teilnehmer ein Problem oder wird sich respektvoll für jede Art von Schüler Zeit genommen?

 

P.S.: Glauben Sie, dass Sie die 6 verschiedenen Verteidigungen nach einer Woche immer noch drauf hätten?

 

 

3. Die notwendige Philosophie

 

Es gibt Selbstverteidigungssysteme, die sich dafür rühmen, besonders menschenfreundlich zu sein oder nie als erster anzugreifen. Wie gut glauben Sie, sind Ihre Chancen gegen einen Angreifer, der Ihnen vorher nicht sagt, womit und wie stark er Sie angreift und es wahrscheinlich noch gewohnt ist, sich regelmäßig zu prügeln? Ein reines defensives Abwarten bis der Angriff kommt, gleicht einer Partie Russisches Roulette. Was Sie brauchen, ist ein Gegenangriff, der den Angriff möglichst schon im Ansatz verhindert, Ihren Gegner möglichst schnell kampfunfähig macht und ihn dabei so stark bedrängt, dass er keinen zweiten Folgeangriff einleiten kann, während Sie permanent und pausenlos angreifen, bis die Situation geklärt ist. Das klingt brutal – und ist es auch! Wenn Sie sich zur Gegenwehr entschließen, dann muss es energisch und konsequent sein! Danach können Sie flüchten und / oder die Polizei verständigen.

 

Ich halte es für besser, notfalls eine Überschreitung der Notwehr zu riskieren und danach noch gesund zu sein, als sich nur halbherzig zu wehren oder nach Abwehr eines Einzelangriffs in Kampfsportlermanier mit erhobener Boxerdeckung brav zurückzutreten und auf die nächste Reaktion des Angreifers zu warten, was heißt, dem Angreifer eine zweite Chance zu geben. Wenn diese erste Verteidigung noch nicht zur Kampfunfähigkeit des Angreifers geführt hat und der Angreifer merkt, dass Sie gar kein Opfer, sondern ein Gegner für ihn sind, zieht er vielleicht ein Messer oder eine Pistole...und dann haben Sie wirklich ein ernstes Problem! Sollte der Angreifer flüchten, haben Sie echtes Glück! Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: die grundsätzliche und gesetzlich vorgeschriebene Verhältnismäßigkeit der Verteidigung zum Angriff des Gegners muss auf jeden Fall berücksichtigt werden!

 

Wenn Sie nach ein paar Jahren Trainingserfahrung fortgeschritten genug sind, können Sie es sich eher erlauben, einen Angriff abzuwarten, bei Körperkontakt seine Angriffsabsichten taktil zu erfühlen oder ihn mit Techniken zu kontrollieren, die weniger verletzend sind als Schläge und Tritte. Ihre eigene Sicherheit hat allerdings immer Vorrang!

 

Die meisten sexuellen Übergriffe finden im häuslichen Umfeld und durch bekannte Personen statt. Ziehen Sie energisch Ihre Grenzen!
Die meisten sexuellen Übergriffe finden im häuslichen Umfeld und durch bekannte Personen statt. Ziehen Sie energisch Ihre Grenzen!

4. Kommunikation und Psychologie

 

In den meisten Selbstverteidigungssystemen werden Angriff und Verteidigung immer noch trainiert, indem es ‚einfach passiert’. Der Trainingspartner steht vor Ihnen und schlägt einfach zu. Nur ist so etwas wirklich realistisch? In besonders gefährlichen Fällen ja. Das sind dann die wirklich gefährlichen Angreifer, die ohne Vorwarnung plötzlich zuschlagen. Zum Glück ist das aber nicht der Regelfall.

 

Normalerweise läuft das anders: Mitmenschen die Streit suchen, halten gezielt nach Opfern Ausschau, die dies oft unbewusst durch ihre Körpersprache signalisieren. Die Aggressoren prüfen durch Blickkontakt, Ansprechen, Anfassen / Schubsen bis zum direkten Angriff, wie stark sich das potenzielle Opfer widerstandslos bedrängen lässt. Das Ganze Szenario endet in der Regel in einer einseitigen Prügelei für das Opfer. Insbesondere Gewaltpräventionskurse und Selbstverteidigungskurse der Polizei gehen gezielt auf diese Problematik ein, was in vielen Selbstverteidigungssystemen leider immer noch vergeblich gesucht wird. Deeskalierende Dialoge können die Situation beruhigen und schaffen vor unbeteiligten Zeugen klare Verhältnisse, wer der Angreifer und wer der Angegriffene ist.

 

Selbstverteidigung beginnt mit dem Verstehen seiner potenziellen Gegner, den eigenen Ängsten, der eigenen Außenwirkung und auch der Beherrschung verbaler Selbstverteidigungstechniken.

 

Das mentale Training von Selbstverteidigungs- und Konfliktsituationen im Geist und im Rollenspiel, Abbau von Schlaghemmungen als auch die Kontrolle von Aggressionen sollten ebenfalls zum täglichen Training gehören wie Ihr Schlagkrafttraining, etc. Die besten Kämpfe, sind die vermiedenen Kämpfe. Das muss Ihr höchstes Ziel sein!

 

 

5. Kampfdistanzen und das Sonderthema Waffen

 

Wenn es zu körperlichen, waffenlosen Auseinandersetzungen kommt, existieren fünf verschiedene Distanzen, beginnend mit der längsten zuerst:

  • Die Beindistanz (Treten),
  • Die Armdistanz (Schlagen und Stoßen mit den Händen / Fäusten),
  • Die Ellenbogen- und Kniedistanz (Schlagen und Stoßen mit Ellenbogen und Knien),
  • Die Greifdistanz (Halten, Ziehen, Kopfstoß, Hebeln, Würgen, Werfen) und
  • Die Bodendistanz (Halten, Beißen, Kratzen, Hebeln, Würgen, Schlagen, Knie)

Wie wichtig ist Bodenkampf in der Selbstverteidigung?

Zum Bodenkampf sei noch gesagt: am Boden zu kämpfen ist praktisch wie mit dem Rücken zur Wand - nur in der Horizontalen - zu kämpfen. Es schränkt Sie, im Vergleich zum Standkampf, in Ihrer Beweglichkeit stark ein. Darum sollte es Ihr wichtigstes Ziel in einer Bodenkampfsituation sein, so schnell wie möglich wieder auf Ihre Beine zu kommen, um Ihre volle Mobilität wieder zu erlangen. Einige Kampfsportarten betreiben den Bodenkampf als einen Selbstzweck oder gar Königsdisziplin, in denen ihnen niemand anders das Wasser reichen kann. Unter Kampfsportbedingungen, also nach Regeln, mit Schiedsrichten und nur 2 Kombattanten geht diese Rechnung auch fast immer auf. Wenn es in der Selbstverteidigungssituation am Boden bei einem Angreifer bleibt und nicht gerade Glasscherben am Boden liegen, mag das auch noch gut gehen. Kommen plötzlich die Kumpels des Angreifers um die Ecke, wird solch eine Situation für Sie ganz schnell lebensbedrohlich.

Kann man sich realistisch gegen Waffenangriffe verteidigen?

Die Waffendistanz ist in ihrer Reichweite grundsätzlich vor den waffenlosen Angriffen anzusiedeln. Wird in dem für Sie interessanten Selbstverteidigungssystem auch der Umgang mit Waffen unterrichtet? Wenn ja,

 

  • Ab wann dürfen Sie den Umgang mit Waffen lernen? 
  • Sind die angebotenen Waffen im Alltag legal von Ihnen mitführbar oder brauchen Sie dafür einen Waffenschein? 
  • Können die angebotenen Waffen auch durch Alltagsgegenstände ersetzt werden, die im Verteidigungsfall schnell griffbereit sind? 
  • Wie steht der Lehrer zum Thema ‚Bewaffneter Angreifer vs unbewaffneter Verteidiger’? Ist die Antwort des Lehrers „Null Problemo!“, sollten Sie ganz schnell das Weite suchen. 
  • Antwortet der Lehrer „Am besten sofort wegrennen!“, dann sollten Sie bleiben.

 

Einem bewaffneten Angreifer sollten Sie, wenn Sie sich zum Kampf gezwungen sehen, möglichst nur ebenfalls mit einer Waffe bzw. Behelfswaffe (Besen, Barhocker, Tisch, Küchenmesser, eine Kanne schon kochendes Wasser, etc.) gegenübertreten, die Sie dann auch beherrschen sollten sowie die Einsatzmöglichkeiten der Waffe des Gegners kennen sollten. Unbewaffnet gegen einen bewaffneten Angreifer zu kämpfen, ist zwar möglich, aber äußerst risikoreich. Wenn der Angreifer seine Waffe beherrscht, sind Sie fast chancenlos. Also trainieren Sie auch regelmäßig Sprints!

 

Das hier haben Sie bei einer realistischen Messerattacke zu erwarten:

Die Abwehr von Schusswaffen wird auch in der Selbstverteidigung trainiert. Wie realistisch diese Techniken tätsächlich sind, zeit das folgende Video:

Das optimale Selbstverteidigungssystem sollte Sie auf all diesen Distanzen kampffähig machen. Es gibt viele Systeme, die eine oder mehrere Distanzen stiefmütterlich behandeln oder gar auslassen. Spätestens wenn Sie auf einen Gegner treffen, der diese Kampfdistanz beherrscht, die Sie nicht beherrschen, gehen Sie zumindest ein hohes Risiko ein oder haben ein ernsthaftes Problem.

 

Können alle diese Anforderungen nicht mit einer Disziplin abgedeckt werden, denken Sie über die Alternative nach, zwei Systeme parallel zu erlernen, die sich in ihren Prinzipien möglichst nicht widersprechen und möglichst viele taktische Ähnlichkeiten aufweisen, wie zum Beispiel ein waffenloses System und ein Waffensystem.

 

Essenziell ist, dass Sie sich in diesen Systemen schnell zu Hause fühlen und ein gutes Vertrauensverhältnis zu Ihrem kompetenten Lehrer aufbauen können, der Sie in jeder Weise fair und aufrichtig behandelt.

 

 

Dieses Video zeigt Ihnen an wenigen Beispielen, was ein effektives Selbstverteidigungssystem braucht, um im Ernstfall zu funktionieren. Beim Militär geht es beim Nahkampf mit und ohne Waffen ums nackte Überleben. Realistisches Training ist ein Muss!

 

 

Je mehr Sie trainieren, desto weniger werden Sie auf der Straße bluten.
Je mehr Sie trainieren, desto weniger werden Sie auf der Straße bluten.

Haben Sie Ihr System und Ihren Lehrer gefunden, liegt es nur noch an Ihnen, wie sehr Sie bereit sind, hart und regelmäßig zu trainieren, Ihren Lehrer mit Fragen zu löchern und sich selbst möglichst viel Hintergrundwissen und Erfahrungen zu verschaffen, um hoffentlich in einer kritischen Situation voll verteidigungsfähig zu sein und doch den Kampf verhindern zu können. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Kelle Kellems (Mittwoch, 01 Februar 2017 14:25)


    I was curious if you ever considered changing the structure of your blog? Its very well written; I love what youve got to say. But maybe you could a little more in the way of content so people could connect with it better. Youve got an awful lot of text for only having 1 or two pictures. Maybe you could space it out better?